„Ich muss bei diesem Anzug immer an Großväter und Privatbankiers mit grauen Schläfen und hanseatischen Krawattenknoten denken“, sagte der Freund, während er die Etiketten der Whiskyflaschen musterte, mit denen die Ebenholz-Regale neben Ihrem Tisch gefüllt waren. Inmitten der Flaschen stand eine alte englische Buchhalterlampe mit grünem Glasschirm und darunter die Fotografie der Szene eines Motorbootausfluges der Industriellenfamilie Agnelli. Der Kellner, ein stets lächelnder Pakistani, der genau wie seine Kollegen, die ebenfalls Pakistani zu sein schienen, trug eine Dienstuniform mit schwarzer Anzughose, roter Samtweste und gestärktem weißem Hemd. Er servierte den drei jungen Männern ihre Mai Tai und verschwand höflich und unauffällig mit der linken Hand hinter dem Rücken angewinkelt im Gewimmel seiner Kollegen. Dahinter wurde das ausladende Angebot der Bar von einem orangefarbenen Licht bestrahlt, dass den ganzen Raum in der Stimmung eines goldenen Sonnenuntergangs tränkte. Hinter dem schweren Holztresen und zwischen den vielen Ständen im Stil einer mobilen 20er Jahre Espressobar, an denen unterschiedliche Aperitivi serviert wurden, funkelten die Felgen eines Harley Davidson Motorrads mit mandarinefarbenen Korpus.
„Ein Doppelreiher ist und bleibt ein Kleidungsstück für Kapitäne und Erstklässler englischer Privatschulen, egal wie oft Tom Ford dieses Ding noch neu erfinden möchte“, fügte der Freund hinzu und drehte dabei eine Flasche Laphroaig in der Regalwand neben ihm sodass das Etikett allen sichtbar wurde. Er musterte es eindringlich connoisseurhaft. „Da urteilst Du ein wenig zu vorschnell“, unterbrach ihn der junge Mann. „Der Doppelreiher einer bestimmten Gattung hat in der Tat die Aura des Thomas Mann, der trägt ihn mit ausladendem Revers und walnussgroßen Goldknöpfen, die Zigarre wird gleich mitgeliefert. Aber es gibt ja auch viel dezentere Varianten.“ Der dritte Freund war unterdessen mit einer Portion Sushi an den Tisch zurückgekehrt. Unterhaltungen über Mode wurden ihm schnell zu trivial. „Redet ihr immer noch über Doppelreiher? Ich habe zu diesem Thema wenig beizutragen, tendenziell schließe ich mich an, dass man in Doppelreihern schnell alt aussieht, wobei ich neulich diesen Prinzen gesehen habe, William?, der sah echt gut aus in Einem.“ „Siehst Du, da kommen die zwei wichtigsten Komponenten für einen guten Eindruck mit Doppelreiher zusammen“ sagte der junge Mann mit triumphierenden Ausdruck, während er sich belehrend zu seinem Freund über den Tisch beugte. Dieser hatte die Whiskyflasche mittlerweile aus dem Regal genommen und war dabei den weißen Korkverschluss zu öffnen. Der Dritte schnippste sich ein Lachsbällchen in den weit geöffneten Mund und lehnte sich wissend welche Ausführungen nun folgen würden zurück. Er schmunzelte während er sich vom Licht des riesigen Kronleuchter aus Glassteinen blenden ließ. „Der Doppelreiher ist in seiner Natur ein diskriminierendes Kleidungsstück“, begann der junge Mann. „Er schmeichelt besonders der Statur großer schlank gewachsener Männer, wie der von Prinz William. Aber auch der sähe in dem Stück nur halb so charmant aus, wenn er nicht Londons beste Schneider an seinem Hofe wüsste. In einem Doppelreiher kann man ganz toll aussehen, wenn er mit Können gemacht wurde, wenn nicht, dann stimmen die Proportionen nicht, dann wirft er irgendwo Falten oder die Schultern passen nicht und dann wirkt man schnell albern.“ Der Freund hatte die Nase indes auf den Flaschenhals gedrückt um ein letztes Aroma des ehemaligen Inhalts zu erschnüffeln. Einer der netten Pakistani war daraufhin an den Tisch getreten. Er beugte sich behutsam und mit unentwegt freundlichem Lächeln nach vorne. „Sir, könnten Sie bitte die Flasche wieder zurückstellen?“. Der Freund blickte den Kellner mit großen Augen schuldig von unten an, drückte den Stopfen schnell wieder hinein und stellte die Flasche mit den Fingerspitzen behutsam neben ein silbergerahmtes Bild von Gianni Agnelli, der den Betrachter mit einer großzügigen Geste einlud auf seine Riva-Yacht zu steigen auf der er selbst in azurblauem Doppelreiher posierte.
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