Brasserie Bahnhof, Basel

Der Zwischenstopp in Basel dauerte länger als erwartet. Der plötzliche Wintereinbruch, der zuvor so lange auf sich warten ließ, verzögerte seine Weiterreise, so hatte es ihm die Dame am Schalter mit einem schamhaft gesenkten Blick erklärt. Für einen Schweizer schien Unpünktlichkeit der wohl größte Makel eidgenössischer Tugenden zu sein. In der Brasserie des Bahnhofs hatte er sich einen Platz gesucht. Der hohe, zum unteren Drittel mit dunklem Nadelholz vertäfelte Raum mit der zeitlosen Aura eines der letzten Bahnhofsrestaurants vergangener Tage hatte ihn angezogen. An der Bar bestellte er seinen Kaffee im Stehen neben einem Mann in dunkelroter Daunenjacke mit einem üppigen Pelzkragen, der das Gesicht des Herrn von nahezu jedem Blickwinkel aus verschleierte. Der Herr unterhielt sich unentwegt mit dem nur widerwillig lauschenden Kellner hinter dem Tresen. Aus dem Dickicht seines Kaninchenfells drang die schwere Note eines Klassikers der Herrendüfte und die lamentierende Stimme des Herrn, der sich auf Schweizer-deutsch über die arrogante Haltung der Züricher gegenüber den Baslern beschwerte. Manchmal schien es ihm, als ob die Schweizer ihr politisches In-Sich-Gekehrt-Sein vollkommen verinnerlicht hätten und, sobald unter sich, nur noch in der Lage seien sich über Themen die Schweiz betreffend zu unterhalten. Genauso wie sich nach gewisser Zeit jedes Gespräch beim Bänker-Brunch zu Unterhaltungen über die Börse wendet und sich bei jedem Lehrer-Geburtstag schlussendlich alles nur noch um die Schule dreht. Seine Gedanken verloren sich im Rätseln welches Kanton das wohl lebenswerteste sei.

 

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