Fei Scho, München

Draußen lag eine feuchte Kälte, die einem unter den Mantel kroch und von dort aus alle Kleidungsschichten durchsickerte. Die Freunde hatten Lust auf Neues und Fettiges, der Abend begann im „Fei Scho“. Der Raum voller zusammengewürfelter Möbelstücke aus Almhütten und Schulklassen und die offene Küche waren ungewohnt provisorisch. Auf dem Tisch stapelten sich bald Türme aus Bambuskörben aus denen der Dampf malziger Teigtaschen aufstieg. Die Freunde aßen alles, was die freundliche Bedienung ihnen empfohlen hatte. Am Ende kam Sie um die Überreste des Gelages abzuräumen: „Und glücklich?“, „Ja, danke! Haben Sie eigentlich auch Sake?“.

Ein paar Monate später. Das Wohlfühlessen hatte alle wieder in seinen Bann gezogen. Wieder kreisten die Stäbchenpaare der Freunde voller Ananas-Sauerkraut, Teigtaschen gefüllt mit Nürnberger Bratwürsten und maninierter Ente unter den pinken Lampions des Glückslokals. Die Zeitungen am Gärtnerplatz titelten „72 Stunden Sommer“. Viele junge Familie schlängelten sich mit Kinderwagen und Entenfamilien gleichen Fahrradkolonnen an der Isar entlang. In München kannte man keine Zukunftssorgen. Babygequängel übertönte den demographischen Katzenjammer aus der Restrepublik. Auch am Nebentisch versuchte eine junge schwarz gekleidete Architektenfamilie mit Oktaeder förmigen Hornbrillen den Nachwuchs in seinem Chicco-Vintage-Buggy auf die Nachtruhe einzustimmen während die frisch servierten Teigtaschen langsam ihr Aroma in den bayrischen Sternenhimmel ausatmeten. „Ich finde es vollkommen in Ordnung eine Nanny zu engagieren“, beginnt einer der Freunde, nachdem man sich das Schauspiel eine Zeit lang betrachtet hatte. „Ich glaube auch, dass man Hingabe nicht mit Selbstaufgabe verwechseln sollte. Je mehr Du vor allem dein Leben auf Kind umstellst umso mehr musst Du es nachher wieder zurückdrehen. Viele Leute trennen sich, wenn die Kinder aus dem gröbsten raus sind, weil beide merken, dass sie sich beim Kindergroßziehen auseinander gelebt haben.“ „Außerdem gibt’s Du Dein Kind ja nicht aus der Hand. Die Frau hilft Dir vor allem im Haushalt und wenn Du mal ein wenig Ruhe brauchst bring sie den Schreihals eben ins Bett“. Die Freundin schwenkte verlegen ein halbes Dumpling mit Rinderfilet in ihrem Zitronengrascurry. „Aber für viele Mütter ist das unvorstellbar, geradezu herzlos, ihr Kind einfach herzugeben.“ „Ja, weil viele leider dieses „Lonley-Rider-Syndrom“ haben. Wenn Sie sich nicht selbst in allem bis zur absoluten Erniedrigung auflösen und täglich bis zum Ellbogen in Kinderscheiße stecken, gibt es auch keinen Grund mehr zu meckern.“ Der Freund mit dem größten und vollsten Mund schaltete sich schwer verständlich ein. „Also ich bin auch mit Nanny groß geworden und mir hat das kein wenig geschadet. Und außerdem hatte sie wundervoll riesige Brüste, daran erinnere ich mich noch ganz genau.“ Er grinste und das Rotkraut schimmert im Kerzenlicht bläulich zwischen seinen Zähnen.

 

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