Florian Steiner, Heidelberg

Verträumt hatte der Freund den Kopf auf seine Fingerspitzen gelegt, seine Arme aufgestützt. Sein blaues Cesare Attolini Sakko lag wie ein aus Seide sanft herabgefallenes Tuch auf seinen breiten Schultern, an seinen Ärmeln blickte zwei Daumen breit sein blaues Hemd von Notari mit grauem Glencheck hervor. In Ausdruck und Pose, voller Hingabe, fast wie im Gebet vertieft, erinnerte er den Freund an das Bild eines andächtig im Sonntagsgebet versunkenen Schuljungen aus Eton. Blaubeertorte und die deutsche Röstmeistermischung 2009 hatte er sich gewünscht. An seinem Geburtstag schien immer die Sonne. Bevor am Abend die Feier im Garten der Heidelberger Villa beginnen sollte, zu der alle bekannten Figuren des Jahres aufwarteten, hatte ihn der junge Mann auf einen Besuch beim mehrfachen Deutschen Kaffeeröstmeister und Kaffeehausbesitzer Florian Steiner eingeladen. Die Torte hatte der Freund noch nicht angerührt und der unraffinierte braune Zucker, den hier alle so liebten, war zu einer dunklen bernsteinfarbenen Masse auf dem Boden seiner Cappuccinotasse verschmolzen. „Möchtest Du noch einen?“ Der Freund antwortete nicht. Immer wieder wurde die Unterhaltung mit ihm ermüdend phrasenhaft während sein Blick, vorbei an den verschiedenen Modellen alter Kaffeemaschinen zum Tisch am Ende des Raumes glitt. „Ein wenig alt vielleicht?“, fragte der junge Mann endlich, und gab das Spiel, den Grund der permanenten Ablenkung seines Freundes zu ignorieren, seufzend auf. Nicht uralt, aber um die Augen hatte sie bereits kleine Fältchen vom Lachen. „Nicht verkehrt, oder?“,  erwiderte der Freund abwesend und doch voller Begierde. „Naja, es gibt so viele Vorzüge, die jenseits der Menopause liegen.“ Der junge Mann schob sich mit einem breiten Grinsen seinem Freund zugewandt ein Stück seiner Blaubeertorte in den Mund. „Du bist wirklich unmöglich. Das ist eine richtige Frau!“ „Ja, mit Kindern, trinkendem Ehemann und allem was dazu gehört.“ „Das glaube ich nicht, die trägt nicht mal einen Ring.“ Die junge rothaarige Bedienung war an den Tisch herangetreten und buhlte spürbar um die Aufmerksamkeit der Freunde, die sie sich mit ihrer Konkurrentin, die sicherlich ein gutes Dutzend Deutsche Röstmeisterschaften mehr erlebt hatte als sie, teilen musste. Ihre weiße Bluse lag perfekt an und im Vergleich zu der strengen Linie ihrer Taille, die die schwarze Schürze noch betonte, standen ihrer runden Brüste prall hervor. „Darf ich euch noch was bringen?“ „Ja gerne“, antwortete der junge Mann sehr interessiert, während er sie, mit ihrem offensichtlichen Einverständnis, eindringlich musterte. „Mein Freund hier hat heute Geburtstag und eine ungewöhnliche Bitte noch obendrein. Er mag seinen Kuchen gerne so richtig trocken. Sein Stück ist ihm nicht alt genug, könnten sie ihm vielleicht eins vom Vortag bringen?“ Verdutzt und mit leicht geöffnetem Mund blicke die Bedienung auf die Beiden hinunter. Das Lächeln auf den Lippen des jungen Mannes erwiderte sie wie auf Befehl, während der Freund noch immer verlegen mit dem Kopf schüttelte. „Danke nein, aber die Rechnung bitte.“ Nachdem sich die Rothaarige verliebt grinsend hinter der Kasse aufgestellt hatte drehte er sich wieder dem Freund zu. „Lad‘ die Alte doch einfach ein, was meinst Du?“ „Bist Du verrückt!?“, erwiderte der Freund  entsetzt und erschrak über seine eigene Lautstärke. „Ich kenne die doch gar nicht“, jetzt flüsterte er fast. Der junge Mann blickte ihn fordernd an und begann mit bewusst tiefer Stimme und einem verführerischem Tonfall. „Ja, aber heute ist Dein Geburtstag und es gibt kaum einen Tag im Jahr an dem Du tatsächlich bessere Chancen bei so einem absurden Vorschlag hättest.“ Der Freund harrte einen Moment aus, dann begann er sich zu erheben. „Und wenn sie wirklich ja sagt?“, wandte er noch kurz ein. „Na dann, müssen wir uns was überlegen, schließlich hat die Villa keine Rollator-Rampe.“

 

(c) FaSt